Montag, 16. Juni 2014

Mittelstand statt Mittelmaß


 Standpunkt von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin (IHK zu Schwerin) in der Schweriner Volkszeitung“ (SVZ) und in den „Norddeutschen Neuesten Nachrichten“ (NNN) vom 11.09.2002


 Zur Zeit gibt es eine in dieser Zeitung geführte lebhafte Debatte über die Bedeutung des unternehmerischen Mittelstandes in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern. Zahlreiche zu lösende Problemstellungen wurden bisher angesprochen und - welche Überraschung - „die Parteien sagen der Wirtschaft Hilfe zu“. Doch wer hat noch den Glauben, solchen Aussagen wirklich zu vertrauen? Noch dazu unmittelbar vor den Wahlen; zu einem Zeitpunkt, in dem wir uns vor politischen Sonderangeboten und wundersamen Aussagen kaum retten können? In den zurückliegenden vier Jahren war genug Zeit alles zu tun, was primär der Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt dient und möglichst alles zu unterlassen, was diesem Ziel schadet.

Bundesweit müssen vor allem völlig überkommene Strukturen, z.B. im Arbeitsrecht oder im Bereich der Steuergesetzgebung, endlich aufgebrochen werden, um die Unternehmen national und international wieder wettbewerbsfähig zu machen. Primär in Westdeutschland müssen Lohnpolitik und Tarifstruktur sich endlich den längst gewandelten Wettbewerbsbedingungen anpassen, so dass die deutsche Wirtschaft insgesamt wieder Luft zum Atmen erhält. Und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen in den neuen Bundesländern müssen mit besonderem Nachdruck so günstig wie nur irgendwie möglich gestaltet werden, damit sie, trotz ihrer besonderen Problematiken, die reale Chance haben, dauerhafte Marktteilnehmer zu werden. Denn seit fünf Jahren in Folge laufen die wirtschaftlichen Entwicklungen in Ost und West wieder auseinander und die neuen Bundesländer verlieren an Boden. Vor diesem Hintergrund ist es völlig verfehlt, dass die Wirtschaft unseres Landes bisher als Packesel für parteipolitische Wahlversprechen (z.B. Einführung des Bildungsfreistellungsgesetzes, Einführung der Verbandsklage usw.) missbraucht wurde. Esel sind zwar robuste Tiere, aber der „ Packesel Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern “ hat fürchterlich dünne Beine und trotzdem werden ihm immer größere Lasten aufgebürdet. Die Landespolitik muss daher ihre wirtschaftspolitische Kompassnadel statt wie bisher auf Mittelmaß endlich auf Mittelstand einnorden!

Wer arm ist, muss besonders klug sein

 „ Wer arm ist, muss besonders klug sein“, heißt es. Das bedeutet in unserem Fall, dass wir mehr als andere Bundesländer unsere Kräfte bündeln, Multiplikatoreffekte schaffen müssen. Mit den Gewerkschaften sind wir uns als IHK zu Schwerin in der Notwendigkeit einer Qualifizierungs-, Investitions- und Infrastrukturoffensive, die mit einer Standortoffensive verknüpft werden müssen. Bestehende Kerne innerhalb des Landes müssen z.B. zu dauerhaft lebensfähigen Zentren entwickelt werden. Subventionen, die mit der politische n Gießkanne über das Land verteilt wurden und werden, waren und sind ineffektiv. Denn in der Fläche verpuffen die Gelder ohne größere Wirkung, und in Ballungsgebieten reichen sie nicht aus, um die Entwicklung wirklich nachhaltig zu unterstützen. Aber statt besonders klug zu sein, wird schlaumeierisch aktionistisches Handeln praktiziert, um mit solchermaßen geschaffenen Scheinerfolgen die wirklichen Problemlagen wenigstens kurzfristig zu überdecken.

Politische Laubsägearbeiten nützen niemandem

 Doch solche politischen Laubsägearbeiten nützen niemandem. Die Politik, die für das Setzen der Rahmenbedingungen verantwortlich ist, kann das verloren gegangene Vertrauen des Mittelstandes nur zurückgewinnen, wenn sie endlich den Draht zur Realität findet. An tauglichen Vorschlägen zur nachhaltigen Verbesserung und Stabilisierung der Rahmenbedingungen, die den hart kämpfenden Unternehmen und den dort beschäftigten Menschen ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen, fehlt es seitens der Wirtschaft nicht. Im Vier-Augen-Gespräch wird einem dies von zahlreichen in der Verantwortung stehenden Politikern bestätigt. Doch warum, verdammt noch mal, haben diese Herrschaften dann auch nicht die Furchtlosigkeit und Charakterstärke, dies in ihren eigenen Parteigremien und in der Öffentlichkeit zu sagen und vor allem auch entsprechend zu handeln? Dazu gehört der Mut, zwingend Erforderliches auch wirklich zu entscheiden und nicht im Konsenspapier einzuwickeln. Das Erfolgsrezept heißt „pragmatisch Standortqualität schaffen“ und eben nicht „parteipolitisch und ideologisch motiviertes Draufsatteln“! Es darf nicht um Personen und Parteien gehen, sondern nur um richtige oder um falsche Politik. Und gerade für uns hier in Mecklenburg-Vorpommern ist in erster Linie diejenige Politik die richtige, die auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeitsplätze erhält und schafft - eine solche Politik ist zugleich auch die gerechteste und sozialste im gesamtgesellschaftlichen Sinn.

Klaus-Michael Rothe ist seit Bestehen der IHK zu Schwerin, 1990, Hauptgeschäftsführer.

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