Mittelstand statt Mittelmaß
Standpunkt von Klaus-Michael Rothe,
Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin (IHK zu
Schwerin) in der Schweriner Volkszeitung“ (SVZ) und in den „Norddeutschen
Neuesten Nachrichten“ (NNN) vom 11.09.2002
Zur Zeit gibt es
eine in dieser Zeitung geführte lebhafte Debatte über die Bedeutung des
unternehmerischen Mittelstandes in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern.
Zahlreiche zu lösende Problemstellungen wurden bisher angesprochen und - welche
Überraschung - „die Parteien sagen der Wirtschaft Hilfe zu“. Doch wer hat noch
den Glauben, solchen Aussagen wirklich zu vertrauen? Noch dazu unmittelbar vor
den Wahlen; zu einem Zeitpunkt, in dem wir uns vor politischen Sonderangeboten
und wundersamen Aussagen kaum retten können? In den zurückliegenden vier Jahren
war genug Zeit alles zu tun, was primär der Schaffung von Arbeitsplätzen auf
dem ersten Arbeitsmarkt dient und möglichst alles zu unterlassen, was diesem
Ziel schadet.
Bundesweit müssen vor allem völlig überkommene
Strukturen, z.B. im Arbeitsrecht oder im Bereich der Steuergesetzgebung,
endlich aufgebrochen werden, um die Unternehmen national und international
wieder wettbewerbsfähig zu machen. Primär in Westdeutschland müssen Lohnpolitik
und Tarifstruktur sich endlich den längst gewandelten Wettbewerbsbedingungen
anpassen, so dass die deutsche Wirtschaft insgesamt wieder Luft zum Atmen
erhält. Und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen in den neuen
Bundesländern müssen mit besonderem Nachdruck so günstig wie nur irgendwie
möglich gestaltet werden, damit sie, trotz ihrer besonderen Problematiken, die
reale Chance haben, dauerhafte Marktteilnehmer zu werden. Denn seit fünf Jahren
in Folge laufen die wirtschaftlichen Entwicklungen in Ost und West wieder auseinander
und die neuen Bundesländer verlieren an Boden. Vor diesem Hintergrund ist es
völlig verfehlt, dass die Wirtschaft unseres Landes bisher als Packesel für
parteipolitische Wahlversprechen (z.B. Einführung des
Bildungsfreistellungsgesetzes, Einführung der Verbandsklage usw.) missbraucht
wurde. Esel sind zwar robuste Tiere, aber der „ Packesel Wirtschaft
Mecklenburg-Vorpommern “ hat fürchterlich dünne Beine und trotzdem werden ihm
immer größere Lasten aufgebürdet. Die Landespolitik muss daher ihre wirtschaftspolitische
Kompassnadel statt wie bisher auf Mittelmaß endlich auf Mittelstand einnorden!
Wer arm ist, muss besonders klug sein
„ Wer arm ist, muss besonders klug sein“, heißt
es. Das bedeutet in unserem Fall, dass wir mehr als andere Bundesländer unsere
Kräfte bündeln, Multiplikatoreffekte schaffen müssen. Mit den Gewerkschaften
sind wir uns als IHK zu Schwerin in der Notwendigkeit einer Qualifizierungs-,
Investitions- und Infrastrukturoffensive, die mit einer Standortoffensive
verknüpft werden müssen. Bestehende Kerne innerhalb des Landes müssen z.B. zu
dauerhaft lebensfähigen Zentren entwickelt werden. Subventionen, die mit der
politische n Gießkanne über das Land verteilt wurden und werden, waren und sind
ineffektiv. Denn in der Fläche verpuffen die Gelder ohne größere Wirkung, und
in Ballungsgebieten reichen sie nicht aus, um die Entwicklung wirklich
nachhaltig zu unterstützen. Aber statt besonders klug zu sein, wird
schlaumeierisch aktionistisches Handeln praktiziert, um mit solchermaßen geschaffenen
Scheinerfolgen die wirklichen Problemlagen wenigstens kurzfristig zu
überdecken.
Politische Laubsägearbeiten nützen niemandem
Doch solche politischen Laubsägearbeiten nützen
niemandem. Die Politik, die für das Setzen der Rahmenbedingungen verantwortlich
ist, kann das verloren gegangene Vertrauen des Mittelstandes nur
zurückgewinnen, wenn sie endlich den Draht zur Realität findet. An tauglichen
Vorschlägen zur nachhaltigen Verbesserung und Stabilisierung der
Rahmenbedingungen, die den hart kämpfenden Unternehmen und den dort
beschäftigten Menschen ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen, fehlt es
seitens der Wirtschaft nicht. Im Vier-Augen-Gespräch wird einem dies von
zahlreichen in der Verantwortung stehenden Politikern bestätigt. Doch warum, verdammt
noch mal, haben diese Herrschaften dann auch nicht die Furchtlosigkeit und
Charakterstärke, dies in ihren eigenen Parteigremien und in der Öffentlichkeit
zu sagen und vor allem auch entsprechend zu handeln? Dazu gehört der Mut,
zwingend Erforderliches auch wirklich zu entscheiden und nicht im Konsenspapier
einzuwickeln. Das Erfolgsrezept heißt „pragmatisch Standortqualität schaffen“
und eben nicht „parteipolitisch und ideologisch motiviertes Draufsatteln“! Es
darf nicht um Personen und Parteien gehen, sondern nur um richtige oder um
falsche Politik. Und gerade für uns hier in Mecklenburg-Vorpommern ist in
erster Linie diejenige Politik die richtige, die auf dem ersten Arbeitsmarkt
Arbeitsplätze erhält und schafft - eine solche Politik ist zugleich auch die
gerechteste und sozialste im gesamtgesellschaftlichen Sinn.
Klaus-Michael Rothe ist seit Bestehen der IHK zu Schwerin, 1990, Hauptgeschäftsführer.
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